SPD-Kreistagsfraktion vor Ort: NIAG stellt Weichen für alternative Verkehre und Antriebstechniken
Kreis Wesel. Nach coronabedingter Zwangspause nimmt die SPD-Kreistagsfraktion die Gesprächsfäden nach eigenen Angaben nun auch „vor Ort wieder auf.“ „Es geht nichts über den persönlichen Austausch,“ freut sich der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Kreis Wesel, Gerd Drüten, über die Möglichkeit seiner Fraktion, das Betriebsgelände der NIAG im Rahmen einer auswärtigen Fraktionssitzung zum Thema ÖPNV im Kreis Wesel zu besichtigen und die Betriebsabläufe auf dem NIAG-Gelände an der Rheinberger Straße in Moers persönlich kennenzulernen.
Kernthemen im anschließenden Gespräch der Fraktion mit dem ehemaligen Landrat und neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Ansgar Müller und den NIAG-Vorstandsmitgliedern Peter Giesen und Hendrik Vonnegut waren die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen im Bereich Nahverkehr und Logistik und die damit einhergehenden Herausforderungen, denen sich die NIAG, aber auch der Kreis Wesel, als zweitgrößter Anteilseigner, stellen muss.
Entwicklungen und Herausforderungen in Nahverkehr und Logistik
Quo vadis? Diese Frage ist angesichts der Klima-Krise und der aktuell angespannten Lage auf dem Energie- und Kraftstoffmarkt von besonderer Bedeutung. Nicht nur für die NIAG AG selbst, sondern auch und vor allem für die Menschen im Kreis Wesel, die auf einen gut vernetzten und dennoch erschwinglichen öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind. Die erste mögliche Antwort auf diese Frage steht in einer der Bus-Hallen auf dem NIAG-Gelände – das leuchtend blaue „KleveMobil“. Die insgesamt vier Fahrzeuge der NIAG-Tochter Look-Busreisen sehen dabei nicht nur zufällig aus wie die berühmten Londoner „Black Cab“-Taxis – sie stammen, genau wie ihre britischen Pendants, aus dem englischen Städtchen Coventry und unterscheiden sich nur durch Farbe und Platzierung des Fahrersitzes.
Nomen est omen
Es trägt seinen Namen nicht umsonst – das KleveMobil versieht seit Dezember letzten Jahres seinen sogenannten „On-Demand“-Dienst auf Klever Kreisgebiet. „On Demand“ heißt übersetzt „Auf Anfrage“, denn die vier Fahrzeuge können jederzeit per App oder Anruf geordert werden, wenn in der Nähe kein Bus innerhalb von 15 Minuten fährt. Das „KleveMobil“ folg dabei keinem festgelegten Fahrplan, die eingesetzte Software errechnet vielmehr die optimale Route immer wieder neu und sorgt so für eine möglichst hohe Auslastung in jeweils eine Fahrtrichtung. So erweitert es nicht nur den bestehenden Nahverkehr, sondern stellt eine echte Alternative zum eigenen Auto dar. Der Sondertarif für den neuen Service orientiert sich an den VRR-Tarifen und liegt in etwa zwischen den Kosten für eine vergleichbare Bus- oder Taxifahrt.
Noch ist das „KleveMobil“ ein auf drei Jahre begrenzter und durch das NRW-Verkehrsministerium mit 600.000 € geförderter „Feldversuch“ der Klever Stadtverwaltung. Laut NIAG-Vorstand Peter Giesen könne man jedoch bereits jetzt deutlich steigende Nutzerzahlen verbuchen und auch das Einsatzgebiet sei auf Grund der hohen Nachfrage über die Stadt Kleve hinaus auf die Gemeinden Kranenburg und Bedburg-Hau ausgeweitet worden.
Der Erfolg ist keineswegs verwunderlich, denn ein Blick auf die Vorteile von On-Demand-Verkehren zeigt, dass sein gezielter Einsatz sowohl in der Stadt als auch auf dem Land sinnvoll ist. So schaffen On-Demand-Verkehre im ländlichen und vorstädtischen Bereich durch ihre individuelle Art der Fortbewegung ein neues Verkehrsangebot, das besonders in ÖPNV-unterversorgten Gebieten dazu beitragen kann, öffentliche Mobilität im Rahmen der Daseinsvorsorge zu sichern. Sie können als effiziente Alternative zu schwach ausgelasteten Linien- und Rufbussystemen oder als Zubringer-Verkehr zur nächsten Anschlussverbindung eingesetzt werden.
Im städtischen Bereich hingegen ergänzt der On-Demand-Service den öffentlichen Personennahverkehr durch eine individuelle und flexible Alternative und bietet so einen realistischen Ersatz für die Fahrt mit dem eigenen Auto. Besonders in Randzeiten, wie nachts und am Wochenende, steigern sie Komfort und Sicherheit der Fahrgäste.
Eigenwirtschaftlichkeit steht innovativen Lösungen im ÖPNV diametral entgegen
Auch die SPD-Kreistagsmitglieder verstehen auf Anhieb, welche Vorteile das Konzept für ihre Städte und Gemeinden bringen könnte. Auf Nachfrage von Dr. Doris Beer aus Voerde und Jürgen Kosch aus Hünxe, ob auch ihre Stadt bzw. Gemeinde einen solchen „On-Demand“-Service bei der NIAG „bestellen“ könnten, muss Giesen allerdings verneinen. Im Kreis Wesel liege die Aufgabenträgerschaft im ÖPNV beim Kreis Wesel selbst, daher müssten interessierte Städte und Gemeinden ihre Wünsche direkt mit dem Kreis Wesel abstimmen. Der Weseler Kreistag habe jedoch vor Jahren entschieden, dass der Kreis die Grundversorgung im ÖPNV eigenwirtschaftlich erbringen müsse. „Und“, so Giesen weiter, „Projekte wie das KleveMobil können trotz Landesförderung nicht eigenwirtschaftlich betrieben werden.“ Diesen Umstand sehen die Sozialdemokraten durchaus kritisch. „Um in der Verkehrswende jetzt deutlich voranzukommen, gilt es, all die bekannten und sinnvollen Pläne für einen umweltgerechten und nutzerfreundlichen ÖPNV beherzt umzusetzen. Das Lamentieren muss ein Ende haben, Taten sind gefordert. Der Landrat und der Kreistag Wesel stehen in der Pflicht,“ fordert Gerd Drüten, Vorsitzender der SPD im Kreistag, stellvertretend für seine Fraktion.