Weseler SPD-Kreistagsfraktion informiert sich zur dramatischen Situation der Schafe im Kreis
Bei einem Informationstreffen mit Schafzüchtern in Hünxe konnte sich die SPD-Fraktion um Dr. Peter Paic ein Bild der angespannten Situation vieler Nutztierhalter im Kreis Wesel machen. Das Fazit: Der Umgang mit den Wölfen muss sich grundlegend ändern, es besteht dringender Handlungsbedarf vor Ort. Deshalb möchte sich die SPD für ein lokales Herdenschutz-Zentrum stark machen, das eine für alle Seiten vernünftige Koexistenz ermöglicht.
Schafe gehören seit langem zum Kreis Wesel. Sie sichern nicht nur den Lebensunterhalt zahlreicher Schäfer und Schafszüchter im Haupt- und Nebenerwerb, sie sind auch von hoher ökologischer Bedeutung, u.a. bei der Landschaftspflege. So sind Schafe für den Hochwasserschutz unverzichtbar, denn durch ihren Beitrag werden die durch den Klimawandel immer häufiger benötigten Deiche nicht nur gepflegt, sondern auch gefestigt – ein Effekt, der ohne die Tiere kaum erreicht werden kann, sodass Deiche bei hohem Wasserstand schneller durchweichen werden.
In den letzten Jahren sehen sich Schafbesitzer vielen Herausforderungen ausgesetzt, die viele kleine Halter bereits zum Aufgeben bewegt haben und auch größerer Betriebe zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen. Neben der Blauzungen-Krankheit, gegen die vermehrt geimpft werden muss, versetzen seit 2018 immer häufigere Angriffe durch Wölfe die Tierhalter in eine schwierige Lage.
So berichtete Erich Specht, Schafzüchter und Landwirt, von seinen Anstrengungen, nach mehreren Rissen durch Wölfe seine Schafe zu schützen. Er zeigte den Besuchern die bereits umgesetzten Maßnahmen auf seinem Hof in Gartrop-Bühl, wie die Erhöhung und Elektrifizierung der Schutzzäune, das aufwändige Anbringen von Untergrabungsschutz mit schweren Materialien unter den Zäunen, die in den letzten Jahren nicht nur hohe fünfstellige Summen verschlungen haben, sondern auch viel zusätzliche Arbeitszeit kosteten. Zudem müssen die Schafe, die in getrennten Gruppen gehalten werden, jeden Abend in die Ställe und Innengatter geholt werden.
Schafhaltung bald nicht mehr möglich
Maik Dünow, Vorsitzender des Kreisschafzuchtverbands, hütet selbst über 1000 Schafe. Zum Schutz vor Wölfen setzt er ergänzend zu den Schutzzäunen auf Herdenschutzhunde, was ebenfalls sehr aufwändig und kostenintensiv ist. Er erklärt, dass die Wölfe lernen, die Schutzmaßnahmen zu umgehen und immer neue Wege finden, Tiere zu reißen. Es sei stets nur eine Frage der Zeit, bis neue Maßnahmen überwunden würden. Gleichzeitig sei ein großer Teil der öffentlichen Meinung auf Seiten des Wolfes, ohne jedoch wahrzunehmen, dass deren Population deutlich wachse und nun stark andere Tiere und damit Existenzen bedrohe.
Es ging nicht mehr lange, dann sei die Tierhaltung für seinen Betrieb wie auch den Kollegen Specht aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr möglich. „Wir können nicht mehr zuschauen, wie ein Schaf nach dem anderen gerissen wird, zudem haben wir auch die Pflicht, unsere Tiere vor diesem Leiden zu schützen. Der Anblick getöteter oder schwer verletzter Tiere tut wirklich weh. Darum muss der Umgang mit der wachsenden Wolfspopulation verändert werden. Wir haben nun über Jahre alles umgesetzt, was im Herdenschutz möglich ist, jetzt muss vom Land und Kreis etwas geschehen.“
Die in NRW eingesetzten „Wolfsberater“ würden nach einem Riss lediglich die DNA feststellen, um welche Tiere es sich handele, sie dürften die Tierhalter aber nicht in irgendeiner Form unterstützen. Selbst wenn klar sei, dass vor allem ein Wolf immer wieder den Herdenschutz überwinde, große Schäden anrichte und viele Weidetiere reiße, ohne sie zu fressen, könne hier nichts ausgerichtet werden.
„Auch die Höfe mit artgerechter Weidetierhaltung von Rindern und Pferden stehen durch die erforderlichen Herdenschutzmaßnahmen im Wolfsgebiet unter einem erheblichen Druck.“, so Heinrich Heselmann, Kreistagsmitglied und Landwirt. Dauergrünlandflächen, Naturschutzflächen oder auch Vertragsnaturschutzflächen werden heute als Weideflächen genutzt und stärken die Biodiversität. „Was geschieht mit diesen Flächen, wenn die Landwirte dem Druck nicht mehr standhalten und die Weidetierhaltung einstellen?“
Lokales Herdenschutz-Zentrum als Teil der Lösung
Heinrich Heselmann findet wie Dr. Peter Paic, dass im Kreis ein Herdenschutz-Zentrum eingerichtet werden muss, um die lokalen Nutztierhalter zu unterstützen.
Ein entsprechender Antrag der SPD vor einigen Jahren war im Kreistag leider nicht erfolgreich, darum soll nun ein neuer Anlauf genommen werden. Bei diesem Projekt sollen alle relevanten Gruppen mit einbezogen werden, vom Bauernverband über Naturschutzverbände sowie alle betroffenen Behörden.
Als weiterer Schritt solle laut Paic geprüft werden, wie andere Bundesländer oder europäische Länder mit einer wachsenden Wolfspopulation und insbesondere mit schwierigen, übergriffigen Tieren umgehen. Gegebenenfalls sei es auch angezeigt, durch das Anstoßen von rechtlichen Anpassungen beispielsweise im Jagdrecht, die Population im Gleichgewicht zu halten und so nicht nur Tierhalter zu unterstützen, Nutztiere zu schützen und damit die Landschaftsschutz- und Naturschutzrolle der Schafe im Kreis zu erhalten.
Paic kündigt als nächsten Schritt an: „Die SPD-Kreistagsfraktion wird in Kürze einen Antrag zur Einrichtung eines Herdenschutzzentrums in den Kreistag einbringen.“ In diesem Antrag werden sich die umfangreichen Recherchen und daraus resultierenden Erkenntnisse der SPD-Fraktion zu diesem Thema widerspiegeln. Denn die beim Treffen Anwesenden sind sich einig: Geschieht weiterhin nichts, werden in den nächsten Jahren nach und nach die Schafe aus dem Kreis Wesel verschwinden – mit unabsehbaren Folgen für Menschen und Umwelt.