#Klartext: Hünxe, wir müssen reden!

Dominique Freitag ist stellvertretende Vorsitzende der SPD Hünxe und engagiert sich besonders für soziale Gerechtigkeit und Inklusion. In diesem persönlichen Beitrag unserer Reihe #Klartext schildert sie ihre Gedanken und Gefühle nach der Bundestagswahl 2025 – und richtet einen eindringlichen Appell an ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Hünxe ist meine Heimat. Mein Hafen, mein ruhiger Pol. Ich liebe es, hier zu leben. Ich liebe es, dass wir uns grüßen, wenn wir uns auf der Straße begegnen – dieses Gefühl der Gemeinschaft und Verbundenheit.
Doch am Sonntagabend ist etwas in mir zerbrochen. Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich unsicher in meiner Heimat. Ich habe den ganzen Tag im Wahllokal gesessen, Menschen freundlich begrüßt, die mir einen schönen Sonntag gewünscht haben. Und dann musste ich mit ansehen, wie viele von ihnen eine Partei gewählt haben, die Inklusion als „Ideologieprojekt“ diffamiert. Eine Partei, deren führende Vertreter Behinderung mit Migration und Inzest in Verbindung bringen. Die offen erklärt, man müsse Schulen und die Gesellschaft von diesem „Projekt“ befreien. Wie weit sind wir eigentlich noch von der Sprache des „gesunden Volkskörpers“ entfernt?
Ich schlucke die bittere Pille, dass Teilhabe für behinderte Menschen in den kommenden vier Jahren politisch wohl kaum eine Rolle spielen wird. Dass Barrierefreiheit weiterhin ein Wunschtraum bleibt. Dass ich mir medizinische Versorgung nicht nach Fachkenntnis, sondern nach der Frage aussuchen muss, ob die Praxis überhaupt zugänglich ist. Dass ich nicht davon ausgehen kann, eine barrierefreie Toilette zu finden. Ich kenne das seit 38 Jahren, also werde ich es wohl weitere vier Jahre aushalten – auch wenn der wahrscheinlich neue Kanzler, der auch für mich verantwortlich wäre, bereits angekündigt hat, rechte Politik zu machen. Eine Politik, die mich nicht mitmeint. Aber sie meint auch normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mit. Sie wird viele Menschen treffen, die das jetzt noch nicht ahnen.
Doch was ich nicht aushalten kann, ist ein Dorf, über dem buchstäblich die Sonne scheint – und in dem so vielen die Lebensrealität behinderter Menschen egal zu sein scheint. 97 % aller Behinderungen werden im Laufe des Lebens erworben. Vielleicht sollte man das bei seiner Wahlentscheidung mitbedenken. Und vielleicht sollte man sich fragen, ob es wirklich eine gute Idee ist, aus Angst vor Überfremdung eine Partei zu wählen, die anderen marginalisierten Gruppen diese Angst direkt ins Gesicht schreibt.
Diese Wahl ist gelaufen. Aber bitte: Beschäftigt euch bei den nächsten Wahlen mit mehr Themen als nur Migration – zumal die AfD dafür ohnehin keine umsetzbaren Lösungen bietet.
Seid einfach lieb zueinander.