Jan Scholte-Reh: Der Bergbau geht, die Werte bleiben
Gestern wurde mit einer großen Veranstaltung in Bottrop die lange Ära des Steinkohlebergbaus in Nordrhein-Westfalen verabschiedet. Was bleibt, ist ein wichtiges Erbe für unsere Region, meint unser Vorsitzender Jan Scholte-Reh in einem persönlichen Kommentar:
Jetzt ist Ende. Die übrigen Steinkohlebergwerke machen dicht und der Letzte macht das Licht aus. Damit ist wahrhaftig und endgültig „Schicht im Schacht“. Und wenn wir dieser Tage mit Nostalgie und Wehmut an das Vergangene erinnern, dann geht’s weniger um das Ende eines Wirtschaftszweiges. Nein, viel mehr würdigen wir die Bedeutung des Bergbaus für unser Land, für unsere Gesellschaft, für unser Leben an Rhein und Ruhr. Wir würdigen die Leistung zig Hunderttausender Kumpel, die ihr Leben lang auf „Maloche“ waren. Und wir würdigen die Werte und die Traditionen einer ganzen Region, die durch den Bergbau sozial und kulturell geprägt wurden.
Dabei geht’s um Solidarität und Miteinander, um Offenheit und Ehrlichkeit, um Bodenständigkeit und Verlässlichkeit. Denn das alles war wichtig im Alltag der Bergleute. Man musste sich auf den Kumpel verlassen können, denn der Job war gefährlich. Da musste man sich untereinander schnell und direkt, verbindlich und unkompliziert verständigen. So entstand über mehrere Generationen ein eigener Jargon der Bergleute, der unsere Alltagssprache maßgeblich beeinflusst hat. Und mit ihren Kohlestaub verschmierten Gesichtern waren alle gleich, es spielte keine Rolle, woher jemand kam, solange er ein Kumpel war. Der Zusammenhalt war einmalig.
Nicht die alten Fördertürme und Lohnhallen, Werks- und Getriebehallen sind unser großes Erbe, sondern eben diese Werte, die das Miteinander in unserer Region noch heute ausmachen. Das bleibt. Das überdauert. Das prägt uns. Diese Hinterlassenschaft wird das Ende des Bergbaus überdauern, wenn wir es alle gemeinsam leben.
Übrigens: Ich bin froh, dass ich gleich zweimal, wenn auch nur als „Tourist“, die Chance hatte, ins Bergwerk einzufahren. Trotzdem komme ich persönlich aus einer durch und durch landwirtschaftlichen Familie. Die Scholte-Rehs sind keine Bergleute. Dennoch hatte der Bergbau natürlich auch Einfluss auf uns. Sei es, weil Dinslaken mit Lohberg selbst eine Zeche hatte. Sei es, weil viele befreundete Familien vom „Pütt“ lebten. Sei es, weil es um das Miteinander ging. Heute lebe ich in Bruckhausen. Dieser Ortsteil der Gemeinde Hünxe ist durch die Brömmenkamp-Siedlung bis heute als Bergarbeiter-Dörfchen durch das Leben und Arbeiten rund um Lohberg-Osterfeld beeinflusst. Viele der Älteren waren „auf’m Pütt“, viele der Jüngeren wären dies wohlmöglich auch heute noch gewesen, wenn der Bergbau weiterginge. Doch es kam anders. Heute müssen die Jungen andere Wege gehen. Viele von ihnen sind seit Generationen die ersten ihrer Familie, die nicht ins Bergwerk einfahren. Sinnbildlich steht es für unsere ganze Region, die durch den Strukturwandel sich eine neue Bestimmung sucht. Fakt ist: Wenn wir das Erbe unserer Region bewahren – nämlich die Werte und die Tatkraft, die den Bergbau ausmachten – dann wird es uns gelingen, diese neue Zukunft zu gestalten, ohne das Alte zu vergessen.