Jan Scholte-Reh: Gute Arbeit und soziale Absicherung sind keine Frage der Konjunktur
„Gute Arbeit und soziale Absicherung sind keine Frage der Konjunktur; sie müssen viel mehr selbstverständlich in unserer sozialen Marktwirtschaft sein“, lobt der SPD-Vorsitzende Jan Scholte-Reh in Hünxe die Pläne von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, die Arbeitsbedingungen in der Branche der Paketzusteller zu verbessern, und kritisiert den Zynismus von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.
Immer mehr Deutsche bestellen übers Internet und der Online-Handel boomt: Rund 3,6 Milliarden Pakete wurden im vergangenen Jahr an deutsche Haushalte ausgeliefert – mit Auswirkungen für die 490.000 Paketzusteller. Diese werden in der Regel von Subunternehmer beschäftigt, die durch die großen Online-Händler beauftragt werden. Auch in der Gemeinde Hünxe sind täglich Paketautos bis abends unterwegs. „70 Prozent sind Hilfskräfte in Teilzeit und Minijobber; die übrigen 30 Prozent haben zumindest eine Ausbildung. Die Löhne werden erheblich gedrückt und tatsächlich wird die Mehrheit unterhalb des Niedriglohnniveaus bezahlt. Oft wird nicht einmal der Mindestlohn eingehalten“, erklärt der 31-jährige Scholte-Reh. Frank Bsirske, Chef von Ver.di sprach sogar offen von „mafiösen Strukturen“, wenn die Paketdienste über Subunternehmer Menschen aus osteuropäischen Staaten für Stundenlöhne von rund 5,00 Euro einstellen und täglich bis zu 12 oder sogar 16 Stunden einsetzen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wolle das Problem mit einem vorgelegten Gesetz an der Wurzel lösen. Es gelte, den Mindestlohn durchzusetzen und so für bessere Bezahlung zu sorgen. Ferner sollen die Online-Händler in direkte Verantwortung genommen werden, wenn Subunternehmer die Sozialversicherungsbeiträge nicht vollständig und unsachgemäß abführten. Der Online-Händler müsse dann die Differenz an die Sozialkassen zahlen.
Prompt komme Widerspruch von den Konservativen. So habe Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier den Plänen Heils eine Ablehnung erteilt. Das Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen müsse Vorrang vor der Schaffung neuer Bürokratie haben. „Das ist zynisch“, zeigt Scholte-Reh verständnislos. „Es gilt Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen. Wer trickst, der muss dafür belangt werden. In letzter Konsequenz muss der Staat für vernünftige Arbeitsbedingungen sorgen. Bereits im Bausektor und in der Fleischindustrie wurde ähnliches durchgesetzt. Es wird trotzdem noch gebaut und Fleisch (viel zu günstig) gekauft. Der Online-Handel wird daran nicht zusammenbrechen.“