Hünxer SPD-Stammtisch diskutiert „Erneuerung von unten nach oben“
Vor kurzem lud die SPD in Hünxe ihre Mitglieder unter dem Motto „Wir müssen reden!“ zu einem Stammtisch in die Gaststätte Rühl in Bruckhausen ein. „Es gibt nichts zu beschönigen: Wir Sozialdemokraten haben bei der Bundestagswahl eine historische und ganz bittere Niederlage erlitten“, erklärt der Hünxer SPD-Vorsitzende Jan Scholte-Reh zu Beginn.
So diskutierten die Genossen unter mehreren Leitfragen über die Gründe der eigenen SPD-Mitgliedschaft, über das Wahlergebnis, über den Zustand der Bundespartei und was nun passieren müsse: eine Erneuerung von unten nach oben. Ein ‚Weiter so‘ der letzten 12 Jahre dürfe es nicht geben. „Mich interessiert dabei auch, was jeder von uns für unsere Partei tun kann“, betont Scholte-Reh.
Dabei wurde der Gang in die Opposition von allen begrüßt. „Müntefering hat Recht, wenn er sagt, Opposition sei Mist, denn als Sozialdemokraten wollen wir gestalten, wollen das Land immer etwas besser und gerechter machen. Trotzdem ist das ‚Nein‘ zur großen Koalition richtig“, fasst Scholte-Reh zusammen. Denn trotz wichtiger Regierungserfolge habe sich die SPD in der Wahrnehmung der Menschen nicht mehr von der Union unterschieden. Die SPD habe ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie Fehlentwicklungen im Lande kritisiere, aber gleichzeitig als Juniorpartner auf der Regierungsbank sitze. Gerade diese Unterscheidbarkeit sei für die SPD aber grundlegend, wenn sie eine soziale Volkspartei sein wolle. Ferner habe diese ‚alternativlose Politik‘ nicht zuletzt die AfD gestärkt. „Die Opposition gibt uns die notwendige Verschnaufpause, uns wieder auf sozialdemokratische Ziele zu besinnen und uns inhaltlich, strukturell und personell zu erneuern.“
Der Bundestagskandidat Jürgen Preuß berichtet von seinen Erfahrungen: „Aus den vielen Gesprächen während des Wahlkampfes habe ich eines mitgenommen: Die Menschen sind verunsichert!“, stellt Preuß fest. „Wir müssen diese Sorgen ernst nehmen statt einfach darüber hinwegzugehen.“
Rege diskutiert wurde daraufhin der Umgang mit den Ergebnissen der AfD. „Wir dürfen die AfD-Wähler nicht pauschal als rassistisch abstempeln“, fordert ein Diskussionsteilnehmer. Viele Arbeitnehmer seien enttäuscht von der SPD und haben mit ihrer Wahl ein Zeichen setzen wollen. „Wer jetzt die Nazi-Keule rausholt, hat nichts verstanden. Stattdessen müssen wir die Menschen mitnehmen und uns kümmern.“
Der inhaltliche Erneuerungsprozess müsse daher eine Rückbesinnung auf die Interessen und Belange der Menschen sein. Das Thema „soziale Gerechtigkeit“ sei daher gerade richtig gewesen, doch habe man es aufgrund der Großen Koalition und der Agenda 2010 nicht glaubhaft vermitteln können. Zwar werden die Erfolge der Agenda 2010 gelobt, doch müssten die unsozialen Fehlentwicklungen korrigiert werden. „Unser Land ist in einer globalisierten Welt wirtschaftlich erfolgreich, doch der Erfolg und der Wohlstand kommen nicht bei allen Menschen an. Die Folge sind eine gefühlte Unsicherheit und Ohnmacht.“
Eine wichtige Rolle spielte das Thema „Bürgernähe“. „Bei uns in Hünxe läuft das gut. Wir haben die Marktplatzgespräche, machen Haustürbesuche und kümmern uns“, meinen die SPD-Ratsmitglieder Karl-Heinz Kühl und Werner Schulte und verweisen beispielsweise auf den Bürgerdialog zur Neugestaltung des Sportplatzes Bruckhausen. Darüber hinaus wolle man noch weitere Angebote schaffen, um Bürger mit ihren Erfahrungen, Fähigkeiten und Ideen einzubinden. Jusos-Mitglied Mendina Morgenthal schlägt deshalb zeitlich begrenzte Projektgruppen, Workshops und runde Tische vor: „Die meisten sind politisch interessiert und wollen sich für ein bestimmtes Thema einsetzen, sich aber nicht dauerhaft an eine Partei binden. Die SPD muss auf diese Menschen zugehen.“ Was vor Ort gelte, müsse umso mehr auf Landes- und Bundesebene passieren. „Letztlich geht’s um die Frage, wie wir Parteien im 21. Jahrhundert wieder zu lebhaften Orten gesellschaftlicher und politischer Debatten machen können. Wir müssen das Konzept ‚Partei‘ weiterentwickeln“, so Scholte-Reh.
Auch in Hünxe werde es weitergehen. „Dieser Stammtisch war der erste Auftakt für weitere Veranstaltungen, in denen wir Vorschläge zur Erneuerung erarbeiten wollen. Hierzu will ich neben Parteimitgliedern auch Nicht-Mitglieder einladen. Was dabei herumkommt, muss als klare Botschaft an die Landes- und Bundespartei geschickt werden“, erklärt Scholte-Reh abschließend.