Große Koalition: Hünxer Sozialdemokraten sind skeptisch
„Jeder macht sich Gedanken; niemand macht es sich leicht. Trotzdem ist die Skepsis groß“, erklärt der Hünxer SPD-Chef Jan Scholte-Reh zu den derzeitigen Diskussionen über eine mögliche Fortsetzung der Großen Koalition. Am kommenden Sonntag soll ein Sonderparteitag in Bonn die Ergebnisse der Sondierungen zwischen CDU, CSU und SPD bewerten und darüber entscheiden, ob weitere Verhandlungen aufgenommen werden. Um ein Feedback der Mitglieder vor dem Parteitag zu erhalten, hat Scholte-Reh innerhalb des Ortsvereins Hünxe eine Online-Befragung gestartet.
Unzufrieden über die Sondierungsergebnisse
Dabei zeigt sich die große Mehrheit der Teilnehmer (75,9 Prozent) unzufrieden mit den Ergebnissen der Sondierungen. Nur 24,1 Prozent bewerten die Ergebnisse als gut. Insbesondere sollten die befragten Mitglieder ihre Meinung begründen, in dem sie sowohl positive als auch negative Aspekte der Sondierungsergebnisse benannten.
Besonders fehle den meisten ein sozialdemokratisches Herzensthema, wie die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung bei Arbeitsverträgen, ein Ausstieg aus der Zwei-Klassen-Medizin oder eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. Darüber hinaus müsse es deutliche Reformen im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik und echte Verbesserungen im Bereich der Pflege geben. Bemängelt wurden außerdem die Vereinbarungen zur Flüchtlings- und Klimapolitik. Wichtig seien ferner mehr Transparenz und Mitbestimmungsmöglichkeiten.
Begrüßt werden die Vorhaben für eine gebührenfreie Kita, die Schaffung einer Solidarrente und die Wiedereinführung der Parität in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Auch die Ganztagsbetreuung wird als wichtige Maßnahme gelobt. Viel Anerkennung erhielten die Absprachen zur Reform der Europäischen Union und der Eurozone.
„Die Ergebnisse sind eine ausreichende Grundlage für Koalitionsverhandlungen, mehr nicht. Es muss dann aber erheblich nachgebessert werden“, so die Meinung eines Teilnehmers, die den Grundtenor widerspiegelt. In einem Mitgliedervotum würden nach jetzigem Stand 79,3 Prozent einem Koalitionsvertrag nicht zustimmen; 20,7 Prozent würden zustimmen.
Ein mutloses ‚Weiter so‘?
„Das Papier lässt ein mutloses ‚Weiter so‘ befürchten; dabei bräuchte es Mut für die drängenden Fragen. Denn eine alternde Gesellschaft, die Migration und die Digitalisierung verlangen zukunftsfähige Antworten. Stattdessen drehen wir an Stellschrauben und betreiben Reparatur“, erklärt Scholte-Reh. So würden zum Beispiel die langfristigen Probleme im Bereich der Rente nicht gelöst. Sie würden von den möglichen Koalitionspartnern nicht einmal angerührt. „Diese ‚Große Koalition‘ droht eine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners zu werden. Deutschland geht es wirtschaftlich gut. Gerade jetzt wäre also die Zeit, das Land fit für die Zukunft zu machen.“
Was für die SPD wirklich wichtig ist
Natürlich müsse es Kompromisse zwischen Demokraten geben. Koalitionsgespräche seien kein Wunschkonzert. Doch die Erfahrungen der letzten Großen Koalition zeigten, dass sich der Politikstil ändern müsse. Die großen Parteien dürften nicht mehr als einheitlicher Block erscheinen, dies schade der demokratischen Kultur. Dies zeige sich auch an den jüngsten Wahlergebnissen. „Die SPD muss ihr Profil als eigenständige Partei zurückgewinnen und wieder eine echte wählbare Alternative werden. Glaubwürdigkeit ist die Währung der Politik“, so Scholte-Reh.
Derweil ließ die Hünxer SPD auf ihrer Facebook-Seite eine öffentliche Umfrage laufen, an der nicht nur Mitglieder teilnahmen. Dort sprachen sich knapp 90 Prozent gegen eine „GroKo“ und 10 Prozent dafür aus. „Das ist natürlich nicht repräsentativ, es lässt aber ein Stimmungsbild vermuten“, so der Vorsitzende.
Das Meinungsbild soll den SPD-Delegierten aus dem Kreis Wesel mit nach Bonn auf den Weg gegeben werden. Sofern es zu Koalitionsgesprächen komme, werde man in einer Mitgliederversammlung über den fertigen Koalitionsvertrag diskutieren.